Bakkers Bier

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Mehr als neunzig Jahre lang war es verschollen, das legendäre Bier-Rezept des Bernhard Bredeck.
„Hopfennotig“ soll Bakkes Bier gewesen sein, „rein im Geschmack und äußerst bekömmlich“, so jedenfalls hatten einst die alten Leute in Alstätte behauptet.
Niemand wusste es aus eigener Erfahrung, man kannte es nur aus Erzählungen. Als der Bäcker und Schenkwirt Bernhard Bredeck im Jahr 1918 im Alter von nur 29 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel, da nahm er das Geheimnis seines Bieres mit ins Grab. Denn die Rezeptur des Gerstensafts, der so rein im Geschmack und äußerst bekömmlich war, hatte er lediglich in seinem Kopf gehabt und nirgendwo schriftlich festgehalten.

So dachten jedenfalls alle. Fast ein Jahrhundert und mehrere Bredeck-Generationen später war es jedoch erneut ein Bernhard, der für eine erstaunliche Wiederentdeckung sorgte. Bei Ausschachtarbeiten im Keller des heutigen Gasthofes Bredeck-Bakker, der an gleicher Stelle bereits seit 187 Jahren steht, stießen der Juniorchef Bernd Bredeck und seine Mitarbeiter auf einen verschütteten und lange vergessenen Kellerraum, der im Zweiten Weltkrieg vermutlich als Luftschutzkeller und zuvor als Lagerraum gedient hatte.
In dem winzigen Gemäuer fanden sie unter allerlei Gerümpel und wertlosem Papierkram auch eine abgegriffene Kladde mit den handschriftlichen Unterlagen des gefallenen Großonkels Bernhard, darin das Rezept des verschollenen Bieres, welches eigentlich gar nicht mehr existieren sollte.

Dass es Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt ein „Bakkes Bier“ gegeben hat, hängt nicht zuletzt mit einer Person zusammen, die in der Geschichte der Familie Bredeck das sprichwörtliche „schwarze Schaf“ darstellt: Bernhards Halbonkel Anton Bredeck, der als eigenbrötlerischer Öhm auf dem Hof lebte und sich nebenbei als Schmuggler und Schwarzbrenner verdingte. Dieser Anton, Jahrgang 1875, war nicht nur ein eigenwilliger Kauz, der es mit dem Buchstaben des Gesetzes nicht gar zu genau nahm, sondern er war auch kein Kostverächter, in Bezug auf Frauen ebenso wie in Hinsicht auf den Alkohol. Vor allem sein selbst gebrannter Kräuterschnaps war weithin berühmt und berüchtigt, und so wurde in dem Gasthof der Bredecks bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur Branntwein und Rum, sondern auch Kümmel, Bitter und Hamburger Tropfen ausgeschenkt.

Errichtet worden war das Haus bereits im Jahre 1822 von dem gebürtigen Dülmener Heinrich Bredeck als Bäckerei, doch schon bald erkannte die Familie, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebte, und so wurde die Schenkwirtschaft hinzugefügt und stetig ausgebaut.
Vermutlich hat der Öhm Anton manchen seiner Schmuggel- und Beutezüge ins benachbarte Holland anschließend mit selbst gebranntem Schnaps in der Schenke seines Halbbruders Heinrich und später seines Neffen Bernhard gefeiert. Zwar kam dem Tunichtgut und Hallodri Anton schließlich die Obrigkeit auf die Schliche, doch er konnte sich rechtzeitig absetzen, entzog sich den Polizeischergen und verschwand im Nebel der Geschichte,

Nur sein Neffe Bernhard hielt die Erinnerung an den innig geliebten Onkel wach und eiferte dem Schwarzbrenner insofern nach, dass er begann, sein eigenes Bier zu brauen. Anfangs mit mäßigem, dann aber mit erstaunlichem Erfolg, wie sich bald in der eigenen Schenke unter Beweis stellen sollte. Anders als der Schwarzbrenner achtete der Schenkwirt allerdings darauf, dass alles mit rechten Dingen zuging und Zoll und Steuer abgeführt wurden.
„Bakkes Bier“, wie alle im Ort Bernhards Kreation nannten, wurde zu einem heißgeliebten Kaltgetränk. Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus, Bernhard starb an der Front, und das Rezept ging mit ihm verloren…

Bernhards Bruder Hermann, ein gelernter Uhrmacher, führte die Schenke weiter und schloss wenig später die Bäckerei. Es folgten dessen Sohn Heinrich samt Gattin Änne, die der Gaststätte einen Hotelbetrieb angliederten. Und stets wurde, ganz nebenbei, auch weiterhin die Landwirtschaft betrieben. Das Bier des Bernhard Bredeck aber geriet in Vergessenheit – bis dessen Großneffe Bernd bei Umbauarbeiten einen Hohlraum im Keller des Gasthofes entdeckte und die alte Tradition des Bierbrauens wieder aufleben ließ. Frisch aus dem Münsterland, wie einst beim Ahnen Bernhard Bredeck.